Natürliche Verhütung? Aber sicher!
Natürliche Verhütung? Aber sicher!

Natürliche Verhütung? Aber sicher!

Körpertemperatur: Ein Zehntel Grad

Ber der symptothermalen Methode wird also die Körperemperatur gemessen, die einen Indikator für die Fruchtbarkeit darstellt.

Sie steigt nach dem Eisprung leicht an und bleibt dann bis zur Periode erhöht. Ein spannender, aber durchaus schwer zu messender Aspekt: Es handelt sich nämlich nur um eine Temperaturerhöhung von wenigen Zehntel Grad (ca. 0,3-0,5°). Um sie sicher feststellen zu können, benötigt man ein sehr genaues Thermometer. Es sollte die Temperatur auf zwei Nachkommastellen genau angeben. Mit seiner Hilfe muss man mehrere zuverlässige Messwerte hintereinander erfassen. Die Werte dürfen nicht verfälscht werden und nicht so stark schwanken, dass man sie nicht mehr richtig auswerten kann.

Um die Körpertemperatur genau genug feststellen zu können, muss täglich zu einer ähnlichen Uhrzeit direkt nach dem Aufwachen gemessen werden. Kurz davor sollte man nicht aufgestanden sein, da das die Messwerte verfälscht. Auch Reisen, Stress, unruhiger Schlaf oder Erkrankungen können eine Auswertung des Temperaturwertes unmöglich machen.
Dennoch: Es ist nicht so schwer, wie es sich anhört! Inzwischen gibt es Geräte, die die Temperatur sehr genau messen und auch gleich automatisch speichern. Man muss sich also nach dem Drücken der Schlummertaste lediglich schlaftrunken ein Thermometer in den Mund stecken und einige Sekunden weiter dösen, bis man es nach einem Piepen wieder entfernt – und sich entweder umdreht und weiter schläft, oder voller Tatendrang in den Tag startet. Es wird auch an der Entwicklung von Sonden gearbeitet, die man am Körper oder in der Vagina trägt und die die Temperatur automatisiert messen. Diese könnten zukünftig eine weitere, sehr unkomplizierte Messmöglichkeit darstellen.

Die Daten, die man mit der Messung der Körpertemperatur sammelt, werden also aufgezeichnet und ausgewertet. Wie genau die Auswertung der Messwerte erfolgt, möchte ich in diesem Text nicht erläutern, da das nur sehr verkürzt möglich wäre. Weil die Methodik unbedingt sorgfältig erlernt werden muss, möchte ich alle Interessierten an dieser Stelle bitten, auf entsprechende Literatur(1) zurückzufreifen.

Neben der Körpertemperatur wird noch ein weiterer Fruchtbarkeits-Indikator hinzugezogen: der Zervixschleim.

Zervixschleim

Bei der klassischen Version der symptothermalen Methode („symptothermale Methode Sensiplan®“) wird zusätzlich der sogenannte Zervixschleim beobachtet. Es handelt sich um einen Schleim, der am Gebärmutterhals (=Zervix) sitzt. Er ist oft auch am Eingang der Vula zu finden und wird zuweilen auch im Höschen sichtbar. Mit den hormonellen Schwankungen während des Zyklus verändert er seine Konsistenz. Daher ist er ein weiteres Zeichen für den aktuellen Fruchtbarkeitsstatus. In der unfruchtbaren Zeit ist er entweder nicht vorhanden oder weißlich-trüb, zäh und undurchlässig. An den fruchtbaren Tagen dagegen ist er durchsichtig und klebrig, er lässt sich in den meisten Fällen wie Eiweiß in Fäden ziehen. Hört sich das medizinisch und irgendwie eklig an? Ist es aber nicht! Schleim mag vielleicht ein unschönes Wort sein, aber er gehört zu eurem wundervollen Körper und ist ganz natürlich und gesund. Außerdem wirkt der klebrige Schleim wie eine Autobahn für Spermien, die eifrig in Richtung eurer Eizellen wandern wollen – klingt das nicht schon viel besser?

Der Zervixschleim wird ganz simpel dadurch begutachtet, dass man ihn mit den Fingern berührt und betrachtet. Für unerfahrene Personen ist es ratsam, dazu einen sauberen Finger in die Vagina einzuführen und am Gebärmutterhals entlang zu streichen. Wenn man mehr Erfahrung hat, reicht es, den Schleim zu begutachten, der sich ohnehin von selbst zwischen den Vulvalippen befindet. Die Erscheinungsformen des Schleims im Laufe des Zyklus sind von Mensch zu Mensch ein wenig unterschiedlich – es gilt also, den eigenen Körper kennenzulernen. Und es lohnt sich! Bei der Beurteilung muss natürlich berücksichtigt werden, dass sexuelle Erregung oder fremde Stoffe wie Sperma, Verhütungsgels oder Intimcremes den Schleim verfälschen können.

Manchen Menschen ist der Gedanke an das Ertasten des Zervixschleims so unangenehm, dass sie diese Prozedur nicht durchführen möchten – für alle anderen lohnt es sich, den eigenen Körper genauer kennenzulernen! Ich persönlich konnte zu Beginn ehrlich gesagt nicht viel erkennen und diesen Indikator deshalb erst einmal nicht für mich nutzen. Aber mit der Zeit habe ich immer mehr Erfahrung gesammelt und ein viel intensiveres Körpergefühl entwickelt, bis es am Ende ganz einfach war. Ich spürte den Schleim schon zwischen den Beinen, bevor ich überhaupt nachgesehen habe. Und ich habe mich über ihn gefreut: Der „fruchtbare“ Schleim ist für mich ein Zeichen meiner sexuellen Energie, die um den Eisprung herum außergewöhnlich stark ist; ein Symbol für Kraft und Weiblichkeit.
Seriöse Alternativen zum Zervixschleim: Muttermund oder LH-Wert

Die etwas modernere Alternative zur Beobachtung des Zervixschleims ist es, den sogenannten LH-Wert im Urin zu messen. Wie bereits erwähnt steht LH für „luteinisierendes Hormon“. Dieses Hormon löst den Eisprung aus und erreicht seine höchste Konzentration etwa 24-36 Stunden vor dem Eisprung. Um den LH-Wert zu messen gibt es einfache Teststreifen, die in den Urin getaucht werden, ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest. Wenn man diesen Indikator nutzen will, muss man einige Tage vor dem erwarteten Eisprung mit dem Messen beginnen. Die Tests sollten ein- oder zweimal täglich durchgeführt werden und liefern sehr genaue Ergebnisse. Leider sind die meisten Tests allerdings ziemlich teuer. Es lohnt sich, im Internet günstige und dennoch seriöse Varianten zu bestellen, die sich von den teuren Apotheken-Produkten vor allem in ihrer Verpackung unterscheiden: Sie sind einfache, biegsame, kleine Papierstreifen in dünnen Plastikhüllen. Die teureren Varianten aus der Apotheke sind in der Regel größere Plastik-Stäbe, die etwas leichter zu handhaben sind. Manchmal wird auch das Ablesen des Ergebnisses durch eine erklärende Beschriftung erleichtert.

Auch das Abtasten des Muttermunds kann Aufschluss über den Fruchtbarkeitsstatus geben. Der Muttermund bildet das untere Ende des Gebärmutterhalses ( = Zervix), der die Vagina mit der Gebärmutter verbindet. Seine Durchlässigkeit – unter anderem für Spermien – ändert sich im Laufe des Zyklus. Um diese Veränderungen zu beobachten und zu dokumentieren, ertastet man täglich mit den Fingern die Lage, Festigkeit und Öffnung des Muttermunds. Direkt nach der Periodenblutung fühlt sich der Muttermund eher hart an; ein wenig wie eine Nasenspitze. Er ragt relativ weit in die Vagina hinein und ist eng geschlossen. Wenn der Eisprung näher rückt und der Östrogenspiegel steigt, öffnet er sich etwas und wandert 1-3cm weiter nach oben. Außerdem wird er weicher; er fühlt sich jetzt so ähnlich an wie ein Ohrläppchen. Bei manchen Frauen wandert er so weit nach oben, dass sie ihn nicht mehr ertasten können oder ihn nur noch erreichen können, wenn sie sich in der Hocke befinden. Nach dem Eisprung schließt sich der Muttermund relativ schnell wieder, wird hart und wandert nach unten. Genau wie die Bewertung der Konsistenz des Zervix-Schleims erfordert auch das Ertasten von Lage, Festigkeit und Öffnung des Muttermunds ein wenig Übung.

Sicherheit: Der Pearl-Index

Auch wenn es viele Leser:innen überraschen wird: Die klassiche symptothermale Methode nach NFP ist sehr sicher.

Wie die meisten vermutlich wissen, wird üblicherweise der sogenannte Pearl-Index genutzt, um die Sicherheit einer Verhütungsmethode durch Zahlenwerte zu beschreiben. Er ist ein Maß dafür, wie sicher eine Schwangerschaft durch eine bestimmte Verhütungsmethode vermieden werden kann und bezieht sich auf 100 Frauen, die 1 Jahr lang die entsprechende Methode angewendet haben. Der Pearl-Index gibt an, wie viele von ihnen trotzdem schwanger geworden sind. Beispielsweise bedeutet ein Pearl-Index von zwei, dass durchschnittlich zwei von 100 Frauen innerhalb eines Jahres ungewollt schwanger werden.

Beim Pearl-Index muss zwischen zwei unterschiedlichen Angaben unterschieden werden:

Die Gebrauchssicherheit gibt die Effektivität einer Verhütungsmethode bei üblicher Anwendung durch normale Menschen an. Hier werden wirklich alle unbeabsichtigten Schwangerschaften berücksichtigt – auch die, die durch Anwendungsfehler zustande gekommen sind, wie z.B. durch das Vergessen der Pille. Die Gebrauchssicherheit zeigt also auch, wie einfach eine bestimmte Methode im Alltag angewendet werden kann.

Die Methodensicherheit gibt die Effektivität der Methode bei korrekter Anwendung an. Sie berücksichtigt also nur die Schwangerschaften, die zustande gekommen sind, obwohl die Verhütungsmethode immer perfekt angewendet wurde. Dieser Wert zeigt also, wie gut das Grundprinzip einer Methode überhaupt funktioniert.

Die folgende Tabelle liefert einen Vergleich des Pearl-Index für einige Verhütungsmethoden(2).

MethodeKondomePillesymptothermale Methode*Kalender
Knaus-Ogino
KupferspiraleCoitus interruptus
Methoden-
sicherheit
~ 20,2 – 0,50,4 – 0,690,1 – 0,64
Gebrauchs-
sicherheit
12 – 182,0 – 9,01,8 – 2,5250,1 – 0,815 – 18
*Bei Verzicht auf Sexualpraktiken mit Schwangerschaftsrisiko in der fruchtbaren Phase; Auswertung von Temperatur und Zervixschleim
Genau informieren!

Wer jetzt neugierig geworden ist, sollte allerdings nicht sofort mit dem Ausprobieren loslegen. Um die symptothermale Methode sicher anwenden zu können, benötigt man jede Menge genaue Informationen. Man muss die Bereitschaft aufbringen, sich Wissen anzueignen, und etwas Zeit und Energie investieren. Leider gibt es wenig Literatur zum Thema, die einerseits genau und fachlich fundiert ist, und andererseits für Laien verständlich bleibt. Außerdem sind manche Bücher äußerst gewöhnungsbedürftig in ihrem Ton und ihrer Weltsicht: Ich persönlich hatte es zuerst mit einem Buch probiert, in dem immer von „ehelichem Verkehr“ die Rede war. Nunja. Vielleicht ist es Geschmacksache, aber für mich zeugt das nicht gerade von Seriosität.

Absolut empfehlenswert für wissenschaftlich interessierte Laien ist das Buch „Natürliche Familienplanung heute“ (1). Es stellt alle nötigen Informationen bereit, erklärt detailreich, ist sachlich formuliert und enthält viele praktische Beispiele.

Und weil es so wichtig ist noch einmal: Nur wer gut und genau informiert ist, kann mit der symptothermalen Methode sicher verhüten!

Üben, üben, üben…

Außerdem ist der menschliche Körper bedauerlicherweise oft nicht sehr eindeutig, sondern im Gegenteil eher kompliziert. Es braucht also eine zu Beginn der Anwendung eine Art „praktische Übungsphase“, in der man zusätzlich mit einer nicht-hormonellen Methode verhüten sollte. Währenddessen wird man mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert.

Zum Beispiel führt der LH-Wert erst dann zum Eisprung, wenn er einen gewissen Schwellwert übersteigt. Man muss also Tests mit einem passenden Schwellwert wählen – dieser liegt für die meisten Menschen in einem ähnlichen Bereich, was es zum Glück recht einfach macht. Aber es gibt dennoch kleine Unterschiede. Zudem sollte man sich von den leichten Anstiegen, die aber noch deutlich unter dem Schwellwert liegen, nicht verunsichern lassen und vorschnell auf einen Eisprung schließen. Der Schwellwert ist erst dann überschritten, wenn beide Linien auf dem Teststreifen gleich dunkel sind.

Auch die Bewertung des Zervixschleims ist für Unerfahrene zunächst eine schwierige Angelegenheit. Es handelt sich außerdem um eine subjektive Bewertung, was viele zunächst verunsichert. Allerdings können erstaunlich viele Menschen mit etwas Übung ihren Zervixschleim sehr zuverlässig beurteilen. Es ist wichtig, sich im ersten Schritt auf diese Form der Körperwahrnehmung einzulassen und Erfahrung zu sammeln.

Ich kann euch aber versichern: Diese Herausforderungen können alle gemeistert werden, wenn man gut informiert ist und eine Zeitlang geübt hat. Die meisten fühlen sich nach etwa drei „Übungszyklen“ ausreichend sicher, aber die Länge der Übungsphase ist natürlich von Person zu Person unterschiedlich. Man sollte sich die Zeit nehmen, die es braucht.

Doch für alle gilt: Je geübter man wird, desto sicherer kann man die Zeichen des eigenen Körpers bewerten. Damit sinkt auch der Aufwand, den man aufbringen muss, erheblich. Auch wenn man es am Anfang nicht gleich glauben mag: Meistens wird es irgendwann ganz einfach!

Früher habe ich Leute für esoterisch und ein wenig verrückt gehalten, wenn sie sagten, sie würden spüren, wann sie ihren Eisprung haben. Nach etwa eineinhalb Jahren Erfahrung mit der symptothermalen Methode gehörte ich plötzlich selbst zu diesen „Verrückten“. Meinen Zervixschleim konnte ich leicht nebenbei beobachten, ohne dass ich mich dafür auch nur ein bisschen hätte anstrengen müssen. Übung macht also auch hier die Meisterin. Und es gibt auch noch viele weitere Zeichen, die Aufschluss darüber geben, an welchem Zeitpunkt des Zyklus man sich befindet: Einige Leute spüren um den Eisprung herum auch ein deutliches Ziehen im Unterleib, das nach einigen Stunden wieder verschwindet, den sogenannten Mittelschmerz. Oft verändert sich nach dem Eisprung die Empfindsamkeit der Brüste. Mein Nest-Partner und ich sprechen inzwischen humorvoll vom „Brust-Radar“, der mir anzeigt, dass ich ab jetzt unfruchtbar bin.
Diese Kriterien sind nicht ausreichend sicher, um als eigenständiges Kriterium für die Auswertung bei der symptothermalen Methode herangezogen zu werden – aber sie können eine zusätzliche Hilfe sein.