Natürliche Verhütung? Aber sicher!
Natürliche Verhütung? Aber sicher!

Natürliche Verhütung? Aber sicher!

Kindermachen ist mehr als nur Sex

Ein Mann und eine Frau schlafen miteinander, ein Spermium verschmilzt mit einer Eizelle, und die Frau ist schwanger – so lernen wir es in der Schule. Und wir alle wissen, dass das in der Tat manchmal verdammt schnell gehen kann.

Allerdings ist die Angelegenheit viel komplexer. Die Körper der beteiligten Personen müssen nämlich nicht nur beim Sex erfolgreich zusammenwirken. Als ob es nicht schon faszinierend genug wäre, durch welch komplexe Prozesse Eizellen und Spermien entstehen: Sie müssen auch zusammenfinden, und das ist gar nicht so einfach.

Es fängt schon damit an, dass ihnen dafür nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung steht: Spermien sind bis zu fünf Tage überlebensfähig und Eizellen können bis zu etwa 18h nach dem Eisprung befruchtet werden. Da die Spermien quasi ihre Heimat verlassen und sich in einen anderen Körper begeben, hängt ihr Überleben allerdings auch von vielen äußeren Faktoren ab. Ihr Weg zur Eizelle ist eine regelrechte Abenteuerreise…

Sie bewegen sich schon grundsätzlich nicht gerade in einem freundlichen Terrain: Eigentlich ist das Milieu in der Vagina sauer, was ziemlich schnell dazu führt, dass die Spermien sterben. Außerdem werden Spermien vom Immunsystem als Fremdkörper angesehen und aktiv von den Fresszellen (Phargozyten) gejagt. Und in diesem ungemütlichen Klima müssen sie einen weiten Weg zurücklegen. Dabei müssen sie unter anderem auch den Muttermund passieren, der eigentlich Fremdkörper davon abhält, von der Vagina in die Gebärmutter zu gelangen.

Im Körper der Frau passieren in der fruchtbaren Zeit allerdings zahlreiche Veränderungen, die es den Spermien leichter machen: Östrogene führen dazu, dass der Muttermund weiter wird. Die Gebärmutter zieht sich ganz leicht rhythmisch zusammen, was bewirkt, dass die Spermien regelrecht aus der Vagina in Richtung der Gebärmutter gesaugt werden. Der Schleim, der sich in der Scheide und dem Muttermund befindet, verändert seine Konsistenz und bildet Fäden, in denen sich Spermien wie auf Autobahnen in Richtung Eizelle bewegen können.
Und bis dahin ist es immer noch ein weiter Weg: Haben sie es durch den Gebärmutterhals geschafft, müssen sie auch noch die Gebärmutter durchqueren, und sich durch den Eileiter bis zu Eizelle vorkämpfen.

Haben sich durch dieses wunderbare Zusammenspiel schließlich Eizelle und Spermium “gefunden”, stehen sie vor der nächsten Herausforderung: Die befruchtete Eizelle muss sich innerhalb der nächsten Tage durch den Eileiter zurück in die Gebärmutter bewegen, die schon eine gut durchblutete Schleimhaut für den Gast aufgebaut hat, den sie erwartet. Als ob es nicht schon genug wäre, auf Wanderschaft zu gehen, entwickelt sich die befruchtete Eizelle dabei auch schon fleißig weiter zur sogenannten “Keimblase”. Hat sie es bis in die Gebärmutter geschafft, heftet sie sich an deren Wand an und dringt in die Gebärmutterschleimhaut ein. Dort gräbt sich eine kleine Mulde, bis sie komplett mit Schleimhaut bedeckt ist. Nun ist es soweit: sie ist mit dem Körper der Mutter verbunden und hat sich an ihren Blutkreislauf angedockt. Die Einnistung ist abgeschlossen und es besteht eine Schwangerschaft.

Nicht schwanger werden

Um nicht schwanger zu werden, muss dieser Prozess also unterbrochen werden. Da das Ganze sehr komplex ist, kann man an vielen Stellen ansetzen. Meistens versucht man zu verhindern, dass eine Samenzelle und eine befruchtungsfähige Eizelle zusammenfinden. Die symptothermale Methode macht sich zunutze, dass das nur in einem begrenzen Zeitfenster während des Zyklus passieren kann. In diesem Zeitfenster müssen sich die Beteiligten so verhalten, dass keine Samenzellen in die Vagina gelangen.

Was ist mit “Verhütung” gemeint?

Empfängsnisverhütung: Maßnahmen zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaften
In diesem Text geht es nur um die Vermeidung ungewollter Schwangerschaften. Wird eine Verhütungsmethode als “sicher” bezeichnet, bezieht sich das also ausschließlich darauf, nicht ungeplant schwanger zu werden. Die symptothermale Methode eignet sich zur Empfängnisverhütung, ist aber kein “Safer Sex”.

Safer Sex: Maßnahmen zur Verhinderung einer Schwangerschaft und von sexuell übertragbaren Krankheiten
Selbstverständlich ist es enorm wichtig, das Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten durch ein Bündel von Verhaltensweisen und Vorsichtsmaßnahmen zu minimieren. Wie hoch das Risiko ist, hängt unter anderem von der persönlichen Situation ab, z.B. von der Anzahl der Sexualpartner:innen oder dem Impfstatus der Beteiligten (z.B. Hepatitis, HPV). Beim Sex selbst kann die Ansteckungsgefahr durch verschiedene Hilfsmittel reduziert werden. Der allseits bekannte Klassiker sind Kondome, aber auch Lecktücher, Leckhöschen und andere Barrieremethoden können hilfreich sein. Gut informiert zu sein ist auch bei diesem Thema wichtig.
Das Grundprinzip der symptothermalen Methode

Bei der symptothermalen Methode geht es also darum, den Zyklus zu beobachten und so das Zeitfenster zu bestimmen, in dem man potenziell schwanger werden könnte. In diesem Zeitraum, der meist etwas mehr als eine Woche dauert, muss auf klassischen penetrativen Sex verzichtet werden. Die Vagina ist für Spermien also unter allen Umständen tabu – und daher auch für den Penis. Ansonsten sind der Phantasie allerdings keine Grenzen gesetzt und es gilt, mit Oralsex, Massagen, Sexspielzeug und anderen Möglichkeiten zu experimentieren.

Die symptothermale Methode hat also das Ziel, jeden Zyklus so zuverlässig wie möglich in fruchtbare und unfruchtbare Zeitabschnitte einzuteilen. Mit hoher Sicherheit feststellen zu können, dass der Eisprung stattgefunden hat, spielt dabei eine entscheidende Rolle, weil bei Nichtbefruchtung des gesprungenen Ei’s einige Tage später eine Phase beginnt, in der eine Schwangerschaft bis zum Eintreten der Periode nicht mehr möglich ist. Man möchte also so sicher wie möglich festellen, ob der Eisprung stattgefunden hat, und so genau wie möglich wissen, wann er stattgefunden hat. Auf dieser Basis wird dann der Zyklus mithilfe fest vorgegebener Rechnungen in fruchtbare und unfruchtbare Zeitfenster unterteilt.

In den Zeitfenstern, die als “unfruchtbar” bestimmt wurden, kann man ungeschützen Sex haben – vorausgesetzt natürlich, es sind alle nötigen Aspekte zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten abgeklärt. Das Eintreten einer Schwangerschaft ist bei korrekter Durchführung der symptothermalen Methode dann sehr unwahrscheinlich, wie die Informationen zum Pearl-Index (2) weiter unten noch genauer verdeutlichen werden.

Falls man auf penetrativen Sex in der fruchtbaren Phase nicht gänzlich verzichten möchte, kann man die Methode für sich abwandeln und in der fruchtbaren Zeit auf andere Weise verhüten.

Man führt die symptothermale Methode dann allerdings nicht mehr korrekt nach Vorschrift aus. Es ist wichtig, dass man sich klar macht: Die Sicherheit der Methode wird durch das Verhalten in der fruchtbaren Phase bestimmt. Bei der Angabe des Pearl-Index für ihre Zuverlässigkeit wird angenommen, dass in der fruchtbaren Zeit nur Sexpraktiken ohne Schwangerschaftsrisiko praktiziert werden. Wenn man sich entgegen dieser Vorgabe dazu entscheidet, im fruchtbaren Zeitraum z.B. lediglich mit Kondom zu verhüten, ist die Methode nicht mehr so sicher – nämlich nur so weit, wie es Kondome eben sein können.

Möchte man auf penetrativen Sex in der fruchtbaren Phase nicht gänzlich verzichten, ist eine Kombination verschiedener “Sicherheitsmaßnahmen” eine sehr charmante Option.

Ich persönlich habe eine Zeitlang Kondome verwendet und den Herrn gleichzeitig auch noch gebeten, bitte nur außerhalb meiner Vagina zum Orgasmus zu kommen. So habe ich das Risiko, ungewollt schwanger zu werden, meiner Einschätzung nach gegen Null gehen lassen. Eine der beiden Maßnahmen kann versagen – aber dass beide gleichzeitig nicht funktionieren, erschien mir doch sehr unwahrscheinlich. Ich habe also die Zuverlässigkeit von Kondomen durch eine weitere Maßnahme erhöht, damit ich mich sicher genug fühle.
Doppelt hält besser

Ein bestimmtes Verfahren macht die sympthothermale Methode – korrekt angewendet – sehr sicher: Es werden zwingend zwei verschiedene Indikatoren betrachtet, die eine Auskunft über den Fruchtbarkeitsstatus geben. Erst wenn beide Kriterien unabhängig voneinander erfüllt sind (= „unfruchtbar anzeigen”), wird auch tatsächlich angenommen, dass die unfruchtbare Zeit begonnen hat. Es wird also immer die sicherere Interpretation gewählt, was als “Prinzip der doppelten Kontrolle” bezeichnet wird.

Bei der klassichen symptothermalen Methode wird die Körpertemperatur gemessen und zusätzlich die Konsitenz des sogenannten Zervixschleims beobachtet. Alternativ kann die Messung der Körpertemperatur auch mit einer Beobachtung des Muttermunds oder einer Auswertung der LH-Konzentration im Urin kombiniert werden. Wenn beide Indikatoren anzeigen, dass man unfruchtbar ist, wird davon ausgegangen, dass eine Schwangerschaft zu dem Zeitpunkt unmöglich eintreten kann.

Dieses Prinzip der “doppelten Kontrolle” unterscheidet die symptothermale Methode von vielen anderen, unseriöseren Alternativen.

Unseriös sind beispielsweise Kalendermethoden, die lediglich auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen beruhen und etwa zehnmal unsicherer sind als die symptothermale Methode (s. Tabelle Pearl-Index). Apropos: Es ist übrigens ein Mythos, dass “der” weibliche Zyklus 28 Tage dauert und der Eisprung am 14. Tag stattfindet. Die erste Zyklushälfte bis zum Eisprung schwankt von Person zu Person erheblich und kann auch bei einer einzelnen Person von Zyklus zu Zyklus stark variieren.
Eine weitere unzuverlässige Technik ist die Temperaturmethode, bei der nur die Körpertemperatur ausgewertet wird und kein weiteres Merkmal mit einbezogen ist. Auch die Zervischleimmethode, bei der nur die Konsistenz des Schleims am Gebärmutterhals beobachtet wird, aber nicht die Körpertemperatur, bietet bei der Empfängnisverhütung keine ausreichende Sicherheit.

Um eine Schwangerschaft erfolgreich zu vermeiden, gilt: Finger weg von allen “1-Zeichen-Methoden”! Doch auch diese unsicheren Optionen werden häufig mit dem Begriff „natürliche Verhütung“ bezeichnet. Es ist also wichtig, nur Methoden zu nutzen, die auf dem Prinzip der doppelten Kontrolle beruhen und die auf seriösen Informationen aufbauen.

Die hier „symptothermale Methode“ genannte Verhütungsstrategie offiziell als „Natürliche Familienplanung“ (NFP) bezeichnet wird. Doch selbst dieser Begriff wird manchmal für verschiedene Vorgehensweisen genutzt, wie auch im Laufe dieses Texts noch deutlich wird.

Die klassische Strategie, bei der die Körpertemperatur und der Zervixschleim ausgewertet werden, trägt die offizielle Bezeichnung „symptothermale Methode Sensiplan®“. Sie bietet von allen Varianten der symptothermalen Methode das am besten evaluierten Regelwerk und wurde von der Malteser Arbeitsgruppe NFP in Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt NFP (Universitäten Düsseldorf und Heidelberg) entwickelt (3) . Sie gehört zu denjenigen Verhütungsmethoden mit einer hohen Zuverlässigkeit (2,3).