Wie der ‘male gaze’ meine Clubnächte ruiniert – Partybericht einer queeren Frau
Wie der ‘male gaze’ meine Clubnächte ruiniert – Partybericht einer queeren Frau

Wie der ‘male gaze’ meine Clubnächte ruiniert – Partybericht einer queeren Frau

Als ich sie geküsst habe, ist alles um mich herum unwichtig geworden. Ich weiß nicht einmal genau, wie wir da gelandet sind. Aber irgendwie hatte sich an diesem Abend alles zusammengefügt und als der Moment stimmte, wurde es zärtlich. Doch plötzlich riss mich ein lautes ‚Wow!‘ wieder in die Realität zurück. Neben uns: Ein Typ, nicht einmal dreißig Zentimeter entfernt, der uns mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Er würde noch den ganzen Abend Kontakt zu uns suchen, würde sich beim Tanzen zwischen uns drängen, kommentieren, was wir tun, und sollte damit nicht der Einzige bleiben. 

Heterosexuelle Männer machen meine Clubnächte anstrengend, das lässt sich so ganz simpel sagen. In ‚normalen Clubs‘ habe ich immer meine ungeschriebenen Gesetzmäßigkeiten im Hinterkopf: Drink nicht unbeobachtet, am besten gar nicht erst aus der Hand, lassen. Beim Tanzen keine Moves einbauen, die meine Brüste in den Vordergrund stellen. Keinen Blickkontakt suchen, wenn ich nicht in Flirtlaune bin. Zu Freunden flüchten, wenn Menschen aufdringlich werden. Keinen ‚falschen‘ Eindruck vermitteln. Keine Sexualisierung provozieren. Manchmal bin ich so sehr an diese Mechanismen gewöhnt, sie fallen mir schon gar nicht mehr auf. Aber wenn ich mal wieder in einem queeren Club so frei fühle, auch zu Britney Spears ‚Slave‘ so freizügig zu tanzen, wie ich möchte, dann merke ich die Last, die sonst auf mir liegt. 

Wobei, eigentlich ist es unfair. Ich möchte da gar nicht die hetero-cis Männer in den Mittelpunkt stellen, das machen sie schließlich schon selbst genug. Sondern viel mehr eben diese patriarchale Annahme, die Welt von uns Frauen würde und müsse sich um sie drehen. Denn nur für ihren Blick ziehen wir uns an, nur für ihre Phantasien tanzen wir ausschweifend und nur damit sie uns Aufmerksamkeit schenken, knutschen wir miteinander rum. Wer könnte schon auf die Idee kommen, dass es uns einfach gut tut und wir keine weiteren Intentionen hegen? Es ist eben dieses typische Entitlement. Oft frage ich mich, warum ich meine Schutzmechanismen überhaupt noch aufrecht erhalte, denn ungewollt sexualisiert werde ich dennoch. 

Allerspätestens dann, wenn ich mich für eine Frau interessiere und dieses Interesse offen auslebe: Wenn ich mit ihr flirte, tanze, Händchen halte oder sonst irgendwie Nähe aufbaue, meint immer irgendein Heteromann, er würde zwischen uns noch fehlen. Ein Mann hat das mal auf die Spitze getrieben, als er mir und meinem weiblichen Date wiederholt Geld dafür anbot ‚privat weiterzumachen‘ – ganz so, als wären wir Pornodarstellerinen, und uns danach bei mehrfachem Standortwechsel durch den Club verfolgte. Als wir den Türsteher baten, sich um das Problem zu kümmern, wurde der Fremde dann sogar handgreiflich. 

Ich schätze, das hetero Sexleben wird einfach als normal, mondän, langweilig gesehen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich als bisexuelle Frau regelmäßig Einladungen zu Dreiern bekomme oder gefragt werde wie Sex mit einer Frau aussieht. Niemand würde je auf die taktlose Idee kommen, ein fremdes Hetero-Pärchen so schamlos zu fragen:

„Oh, du bist hetero? Mit dir kann man bestimmt ganz viel Spaß haben, was? Komm doch mal dazu!“

„Verrückt, du bist hetero? Da muss der Körper ja ganz, ganz anders funktionieren. Wie hat man da dann eigentlich Sex? Kannst du mir das mal beschreiben? Aber bitte mit allen intimen Details, ja?“

Ich komme mir dabei nicht selten vor wie eine bloße Attraktion, nicht wie ein menschliches Individuum. Diese Distanzlosigkeit gegenüber Intimitäten und Exotisierung des queeren Sexlebens scheint jedoch gesellschaftlich völlig akzeptiert zu sein. 

Solches Verhalten erfassen wir oft noch immer unter dem Ausdruck Mikroaggressionen. Aber es sind keine Kleinigkeiten. Die Diskriminierung von queeren Frauen sieht anders aus als die verbalen und physischen Attacken auf queere Männer, aber sie ist ebenso eine Form von Gewalt und versteckter Homofeindlichkeit. Dieses Verhalten und diese Annahmen zu akzeptieren schafft einen Nährboden für physische Übergriffe. Und ja, es ist mir schon mehr als nur einmal passiert, dass auch körperlich meine Grenzen überschritten wurden, nur weil ich offen meine Queerness ausgelebt habe. Zum Beispiel, wenn sich jemand plötzlich beim Tanzen an mich drängt und seinen Schritt an mir reibt. Nur fürs Protokoll: Diese Form von Frotteurismus ist sogar strafbar. Und damit bin ich kein Einzelfall. Aber hey; wie wärs, wenn ihr mir einfach glaubt, mich ernst nehmt, auch wenn das bisexuellen Frauen sonst nicht gestattet ist, und euch selbst reflektiert, statt mich weiter meine nahtlose Beweisführung auspacken zu lassen?

Foto von Mahrael Boutros auf Unsplash

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