Heute ist es wieder so weit. Die Demoplakate liegen bereit, die Seifenblasenpistole ziert mein Halfter, die Protestsprüche sind verinnerlicht. Letztes Jahr war ich nur wütend. Aber dieses Jahr ist da eine gewisse Sehnsucht, eine Vorfreude, denn Demos bedeuten immer auch Verbundenheit und Liebe – und davon hab ich viel zu geben.
Nur wenn ich an die bevorstehenden Glückwünsche denke, wird mir ein wenig schlecht. Wer wird wohl der erste Mensch sein, der mich mit seinem fröhlichen ‚Alles Gute zum Weltfrauentag‘ überraschen wird? Folgen werden nur irritierte Blicke meinerseits und Schweigen. Ich werde mir dieses Jahr nicht die Blöße geben Freundlichkeit vorzutäuschen, wenn ich keine feministische Verbundenheit zu jemandem empfinde. Seien wir ehrlich: Niemand weiß wirklich etwas mit oberflächlichen Glückwünschen anzufangen, außer die Kerle, die erwarten, dass man ihnen überschwänglich auf die Schulter klopft. Hast du gut gemacht, guter Dude, fein, ganz fein. Und dann ist die Pflicht erledigt. Fühlt sich fast ein bisschen herablassend an so oberflächliche Glückwünschen zu bekommen und macht mich dann auch mal wieder zum Objekt. Mir wird ja schließlich etwas gegeben, für das ich mich freundlich bedanken soll und am besten nett dabei lächeln, was?
Eigentlich sind solche Tage dafür da sich tiefer Gedanken über Dinge zu machen, die man sonst als selbstverständlich sieht, oder eben gar nicht. Diese Tage werden besonders durch die Interaktionen, die wir haben können, die Denkanstöße, die wir bekommen…durch eben den Anlass, Dinge auszudrücken oder anzunehmen, denen man sonst nicht so viel Beachtung schenkt. Ein Tag verändert nicht alles, aber er kann neue Ziele und Wege aufzeigen, so wie ein Strategie-Meeting. Oder uns an Dinge erinnern, die wir so oft vergessen, wie etwa Weihnachten uns an Mitgefühl und Güte. Und ja, ich finde den hochtrabenden Vergleich absolut angebracht.
Wozu wollten mir Andere eigentlich gratulieren? Etwa dazu noch zu leben? Es ‚unbeschädigt‘ von der Wiege zum Erwachsenenalter geschafft zu haben? Oder zur tollen Leistung, die ich als Frau zur Gesellschaft beitrage? Oh ja, danke, inzwischen habe ich auch einen Master in Emotionaler Arbeit 👑
Den internationalen Frauentag Feministischen Kampftag gibt es, um auf all die Kämpfe aufmerksam zu machen, die wir und viele Generationen vor uns schon gewonnen haben. Aber eben auch auf die aktuellen Schlachtfelder, die immer neuen Opfer, die noch weit entfernten Träume. Manche Menschen haben das Privileg sich auszusuchen, ob sie an diesen Kämpfen teilnehmen, andere tragen eine Zielscheibe auf dem Rücken. Dazu gratuliert man nicht – sondern versucht es zu verändern.
Mir geht es nicht darum alle Gratulanten auszuziehen, durch die Straßen zu treiben und ‚Shame‘ zu rufen, auch wenn das sicher unterhaltsam wäre. Nein, ich möchte nur gefragt werden. Möchte gefragt werden wies mir mit diesem Tag geht, was ich mir wünsche, was mich beschäftigt, welche Themen mir Sorgen bereiten. Und dann möchte ich gehört werden. Natürlich kann ich mir den Raum nehmen (so wie hier, haaallo!✨), ihn notfalls vielleicht sogar einfordern. Aber ich wünsche mir vielmehr von den Menschen, insbesondere den Männern in meinem Leben, dass sie mir Raum schenken, zuhören, und gemeinsam mit mir gestalten.
So Tage und Themen können überfordernd sein und Beziehungen zu manövrieren auch. Aber es geht nicht darum perfekt zu sein, sondern nur um dieses kleine bisschen Aufmerksamkeit und Bewusstsein dafür, dass da ein Thema ist, ein Raum der eröffnet werden könnte mit nur einer Frage. Vor ein paar Jahren hat mir mal ein Freund aus Verunsicherung das ‚Queerplatonic Relationship Request Form‘ in einem süßen, kleinen Briefumschlag zukommen lassen. Das war der Anfang eines großartigen Gesprächs. Also, wenn ihr nicht wisst, was ihr tun oder sagen sollt, ich habe da mal was entworfen als ich nicht schlafen konnte. Es ist sicher nicht die Antwort, aber immerhin eine Frage 🤍